Regisseur Marco Dott hat auf der geschmackvoll-kühlen Bühne von Manuela Weilguni dem Stück entscheidend zu starker Wirkung verholfen und die acht Schauspieler gut geführt. Auf der Bühne standen die wandlungsfähig-starke Beatrix Doderer in der Hauptrolle der Kuratorin und »Berufsgattin« Nan, Tim Oberließen als der verschlagene Künstler Alex, Diana Marie Müller als lesbische Assistentin Mumbali, Axel Meinhardt als gnadenlos republikanischer US-Gouverneur in spe, Nadia Migdal als sensationell quirlige Tussi-Tochter, Corinna Ketter als gar nicht so doofer Seitensprung sowie Lisa Müller-Trede und Marcus Brien als herrlich affektierte Galeristen. Endlich wieder einmal richtig Sinn und kluger Spaß im Theater.
Die nackte Wahrheit (DSE)
von Paul Rudnick
Inhalt
Eine Gesellschaftskomödie nach allen Regeln der Kunst: Ein Fotograf im Stile Robert Mapplethorpes und die gesellschaftlich hochrangige Gattin des zukünftigen Gouverneurs geraten in einen intelligenten und komischen Schlagabtausch über das Leben und die Kunst: Muss Kunst schön sein oder warum muss sie immer schockieren? Wenn dazu ein Playboy-Model, eine lesbische Aktivistin, der angehende Gouverneur selbst, seine überspannte Tochter und ein Kunsthändlerpärchen kommen, ist der Angriff auf die Lachmuskeln vorprogrammiert.
»Political Correctness ist der erklärte Feind der Komödie.« So lautet das Credo des amerikanischen Autors Paul Rudnick. »Ich denke, wenn man politische Ansichten durch Humor zerstören kann, dann waren sie von Anfang an nicht stark und überzeugend genug. Ich möchte einfach die Absurdität feiern.« Mit »The Naked Eye«, so der zweideutige Originaltitel kreierte Rudnick eine beißende Satire über eine absurd symbiotische Kunstszene und ihre politische Parallelwelt. Das ständige Ringen um Aufmerksamkeit vereint alle Personen. Die Mechanik der Farce treibt Paul Rudnick im Crescendo systematisch voran, bis alle Hüllen fallen.
Stein des Anstoßes ist eine bevorstehende Ausstellung des aufstrebenden jungen Foto-Künstlers Alex Del Flavio, der das Publikum mit sexuell freizügigen Fotos aufrütteln möchte, um damit seiner Karriere neuen Schub zu geben. Eine Taktik, die zwar auch diesseits des Atlantiks schon des Öfteren funktioniert haben soll, sich jedoch nicht in allen Details so ganz mit den Wertvorstellungen von Kuratorin Nan Bemiss deckt. Als Mitglied im Aufsichtsrat der Galerie und Gattin des republikanischen Senators, der der nächste Gouverneur werden will, hat sie daher eine winzig kleine Bitte an den Künstler: einige anstößige Bilder sollen vor Eröffnung der Ausstellung entfernt werden. Womit ein turbulentes Spiel in Gang gesetzt wird, in dessen Verlauf so manche Maske fallen und mehr als eine unerwartete Wendung eintreten wird.
Paul Rudnick stellt in seinem Stück eine Versammlung von Kunstliebhabern auf die Bühne, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebenseinstellungen und politischen Ansichten am liebsten gegenseitig an die Gurgel gehen möchten, jedoch stets den schönen Schein aufrecht erhalten wollen und sich damit eigentlich erst recht entlarven. Die (amerikanische) Doppelmoral ist im Schaffen des Dramatikers immer wieder eine gern gewählte Zielscheibe, die schon in frühen Stücken wie der Shopping-Satire »I’ll take it« oder der mehrfach ausgezeichneten Komödie »Jeffrey« reichlich Gelegenheit zum Schmunzeln bietet. Ebenso in Rudnicks bislang größtem Erfolg, »In and Out«, der von Hollywood mit Kevin Kline und Tom Selleck in den Hauptrollen verfilmt wurde.
Dauer: ca. 2 h 10 min \ eine Pause
Pressestimmen
Das Bemerkenswerte an der Inszenierung von Marco Dott ist, dass es ihm und seiner Ausstatterin Manuela Weilguni gelingt, haarscharf so zu verfahren, wie dies in amerikanischen Serien und Filmen geschieht. Erbarmungslos wird mit Klischees aufgefahren, eine vermeintliche Pointe jagt die andere. Es wird viel gelacht. […] Auch das Ensemble hat Spaß damit, einmal nicht Charaktere, sondern Klischees vorzuführen. Nichts gibt es an der biederen Politikerfrau (Bearix Doderer) auszusetzen, ebenso wenig an dem strebsamen Künstler (Tim Oberließen), der Kotzbrocken-Politiker (Axel Meinhardt) macht seine Sache gut und die Quoten-Schwarze (Diana Marie Müller) macht nichts falsch. Das Sprechtempo der Politikertochter (Nadia Migdal) muss sogar bewundert werden.
Im zweiten Teil (viel treppauf treppab in Manuela Weilgunis Bühne) kommt dank des schauspielerischen Wachstums griffiges Tempo hinein (Regie: Marco Dott). Beatrix Doderer steigert sich beachtlich, Tim Oberließen legt den Foto-Star geradlinig an, Diana Marie Müller gibt eine selbstbewusst lesbische Assistentin Mumbali mit Aggressions-Tick, Axel Meinhardt den verlogenen Republikaner und Corinna Ketter die aufreizend dralle Senatoren-Schlampe. Eine furchterregend herrlich schrill überdrehte Tochter Sissy stellt Nadia Migdal auf die Bretter, gleichsam ein Komöden-Galopp.
Besetzung
Inszenierung
Marco Dott
Ausstattung
Manuela Weilguni
Dramaturgie
Tobias Hell
Nan Bemiss
Beatrix Doderer
Alex Del Flavio
Tim Oberließen
Mumbali Keefer
Diana Marie Müller
Pete Bemiss
Axel Meinhardt
Sissy Bemiss Darnley
Nadia Migdal
Katrin Dowling
Lisa Müller-Trede
Marcus Dowling
Marcus Brien
Lynette Marshall Corinna Ketter