Caligula
Albert Camus
Inhalt
Die Sehnsucht nach dem Amoralischen treibt diesen tyrannischen Herrscher an – und der Wunsch, einmal den Mond zu besitzen. Caligula ist die Tragödie maßlosen Machtwillens. Der vom Drang nach dem Absoluten besessene Caligula glaubt, die Treue zu sich durch die Untreue gegen die anderen gewinnen zu können. Caligula ist kein brutaler Despot, sondern ein raffinierter, intellektueller Verbrecher, der seine Untertanen immer weiter treibt, wie in einem Experiment, um zu prüfen, was sie alles erdulden. Als er endlich unter den Dolchen der Verschwörer zusammenbricht, sind seine letzten Worte: „Ich lebe. Ich lebe.“ – Eine indirekte Aufforderung, dass die Verpflichtung zum Widerstand nie erlischt.
Eitel, maßlos und unberechenbar: Schon die zeitgenössischen antiken Quellen über den römischen Kaiser Gaius Caesar Augustus Germanicus, genannt Caligula („Stiefelchen“), lesen sich wie Ausschnitte aus der Regenbogenpresse – oder aus einem Lehrbuch der Psychiatrie. Er hat Götterbilder durch das eigene Porträt ersetzt, er hat mit seiner Schwester geschlafen und er will sein Lieblingspferd zum Konsul ernennen.
„Theater war für Camus“, so der Autor und Philosoph Michel Onfray, „ein Ort existentieller Wahrheit; politische Metapher, ethische Bühne, existentielle Tröstung und Gelegenheit zur Volksbildung.“ So gibt Camus dem undurchschaubaren Kaiser eine gewisse tragische Größe. Der Schock über den Tod seiner Schwestergeliebten hat ihn aus allen Sinnzusammenhängen des Lebens gerissen: „Von heute an kennt meine Freiheit keine Grenzen mehr.“
Albert Camus (1913–1960) schrieb sein Drama „Caligula“ in den 1940er Jahren unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs, der ihm als „Höhepunkt alles Absurden“ erschien. Die Figur des legendär amoralischen Kaisers Caligula diente ihm als Bild für die totalitären Systeme seiner Gegenwart – sowohl der faschistischen Diktaturen als auch des stalinistischen Kommunismus.
Ben Becker gehört zu den Schauspielern, die in der Kunst den Mut haben, alle Grenzen zu überschreiten, wie seine Fernseh-, Film- und Bühnenkarriere eindrucksvoll beweist. Und so ist er für John von Düffel und Marike Moiteaux die ideale Besetzung für dieses besondere Projekt, für das sie sich mit Ausstatterin Eva Musil in Salzburg zusammengefunden haben.
Dauer: 1 h 30 min / keine Pause
Werkeinführungen: 30 und 45 min vor Beginn
Besetzung
Inszenierung
John von Düffel
Marike Moiteaux
Bühne und Kostüme
Eva Musil
Musik und Video
Phillip Hohenwarter
Matthias Peyker
Dramaturgie
Lea Mantel
Caligula
Ben Becker
Caesonia
Nikola Jaritz-Rudle
Scipio
Tim Oberließen
Helicon
Komi Mizrajim Togbonou
Patricius Christoph Wieschke
Audioeinführung
von Lea Mantel
Pressestimmen
Ben Becker gelingt aber mehr, als markige Sätze aus sich herauszuwuchten. Einmal blitzt unter der Oberfläche dieses Unerbittlichen so etwas wie Trauer hervor – oder war es Verzagen? Oder gar das, was in diesem schonungslosen Denkgerüst der Freiheit von Gott und Sinn keinen Platz haben darf: Sehnsucht?
Die Ouvertüre ist eine harte, düstere, rythmisierte Bilderfolge aus dem benachbarten Mirabellgarten, dann tritt Caligula auf, weißer Eisbärmantel, weißer Anzug, weißes Hemd. Seine Geliebte und Schwester Drusilla ist tot, und aus einem zuvor liebenswerten Kaiser wird ein Tyrann. Er will das Unmögliche, will den Mond und will Venus sein, er enteignet die Patrizier, lässt ein paar von denen umbringen, zettelt eine Hungersnot an, propagiert die reine Freiheit, leugnet die Götter, aber damit auch die Menschen. Die Grunderkenntnis: „Die Menschen sterben und sind nicht glücklich“. Das ist die Dystopie in Reinkultur, über die Camus später selbst lächelte wegen ihrer Einfalt. Aber diese ist auch die Kraft des Textes.
Ein Wassergraben trennt das Publikum von Caligula, das ist schon mal beruhigend, denn so raubtierhaft, wie Ben Becker den römischen Kaiser spielt, ist jederzeit mit einem Blutbad zu rechnen.
Eindringlich donnert Ben Beckers sonore Stimme von der Bühne. „Herrschen heißt ausbeuten“. Die Titelfigur aus Albert Camus‘ Drama Caligula ist eine Paraderolle für Becker, der stimmgewaltig und ausdauernd die Premiere am Sonntagabend am Salzburger Landestheater dominiert.
Marike Moiteaux und John von Düffel verzichten in der Inszenierung auf Effekthascherei durch Kunstblut. Die Regisseure lassen den Text wirken. Die Gedanken an aktuelles Weltgeschehen kommen ganz von allein.