Der neue Menoza
Jakob Michael Reinhold Lenz
Oder Geschichte des cumbanischen Prinzen Tandi / Eine Komödie
Inhalt
Seit 01.12.2021 ist das Stück auch als Stream verfügbar. Hier kommen Sie zum Streaming-Angebot des Salzburger Landestheaters.
Lenz ist der modernste, radikalste, wildeste Sozialankläger, das enfant terrible sozusagen seiner Zeit. Damit stehen der Autor und das Stück „Der neue Menoza“ mit seinen leidenschaftlichen, stürmenden und drängenden Gefühlen gleichermaßen für die gesamte Epoche. Mit seiner Kritik an bürgerlicher Verkommenheit legt es bis heute den Finger auf die Wunde angeblich zivilisierter Lebensformen.
Prinz Tandi aus dem fernen Cumba bereist Europa und will die abendländische Zivilisation auf dieser Kavaliersreise kennenlernen. So wird er Gast des Seidenraupenzüchters Biederling, bei dem bereits der – nomen est omen – etwas undurchsichtige Graf Camäleon logiert. Schnell erkennt der Prinz aus fernem Land, den die Aura des „schönen Wilden“ umgibt, die Niedertracht, die hier herrscht, ganz im Gegensatz zur aufgeklärten Geisteshaltung, mit der sich die westliche Gesellschaft schmückt.
Und nun nehmen schmerzliche wie komödiantische Verwicklungen ihren Lauf: „Jakob Michael Reinhold Lenz’ Stück rast durch alle erdenklichen Verhaltensweisen: Es wird sich verliebt, verführt, vergewaltigt, getäuscht, gemordet, physisch und verbal bedroht, gewürgt, erpresst, gestohlen, Wort gebrochen, bestochen, vergiftet (Kakao), geflüchtet, räsoniert, getreten und ausgepeitscht, es kommt zu kalkulierten Drogenpartys en masque mit Fluten von Alkohol und besinnungslosen Furien-Tänzen.“ – Dörte Lyssewski
Ohne das Wissen von Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–1792) wurde das Drama „Der neue Menoza“ von Goethe in Druck gegeben, doch die Reaktion der Kollegen und Rezensenten war eher negativ. Niedergeschmettert schrieb Lenz eine „Rezension des neuen Menoza, von dem Verfasser selbst aufgesetzt“. Goethe-Schwager J. G. Schlösser appellierte in einem Brief des „Prinz(en) Tandi an den Verfasser des neuen Menoza“, sich von der Kritik nicht verunsichern zu lassen.
Dörte Lyssewski war als Schauspielerin an Theatern und Opernhäusern in Montpellier, Zürich, Bochum, Paris, Brüssel, am Wiener Burgtheater und den Wiener Festwochen, den Salzburger Festspielen und der Ruhrtriennale engagiert. Sie erhielt u.a. die Kainz Medaille, den Eysoldt Ring und den Nestroy-Theaterpreis. Seit 2009 gehört die Schauspielerin und Autorin zum Ensemble des Burgtheaters. Nun wird sie erstmals Regie führen.
Dauer: 2h 50min, mit Pause und gastronomischen Angebot
Pressestimmen
In ihrer Inszenierung greifen Sprache sowie Bewegung und Position der Schauspieler so ineinander, dass sich Genauigkeit in Leichtigkeit auflöst. Mit klug gewählter Musik sowie mit je spezifischem Tempo und Tonfall werden binnen Sekunden Stimmungen und Situationen formuliert. So erhält jede Szene eine eigene Musikalität, und so entsteht exzellentes Theater: Jedes Detail hat fein austarierte Bedeutung.
Die fliegenden und von Streicherflirren und Perkussion begleiteten Szenenwechsel, die dynamisch-minimalistische Bühne, aber vor allem das hochexpressive Spiel, das trotz aller Prügeleien und Ohnmachtsanfälle nie in Klamauk abgleitet, verwandeln die fast drei Stunden lange Aufführung in einen kurzweiligen und intensiven Theaterabend.
In der bekanntlich so aufgeschlossenen heutigen Gesellschaft kann man von diesen Inszenierungen aber nicht genug bekommen.
Eine Glanzleistung des gesamten Ensembles […]. Dörte Lyssewski feierte ein mehr als bemerkenswertes Regiedebut: Im Dauerfeuer der starken Emotionen ließ sie bei enormer inszenatorischer Dichte das Ensemble über sich hinaus wachsen. Ein eindringliches Schauspiel in aufs Wesentliche reduzierter Bühnenausstattung. Als Dank prasselte euphorischer Premierenapplaus auf und als gehaltvollen Beigeschmack gab es gefühlt einen roten Stempel: „Systemrelevant!“ – und wie. Unbedingt anschauen.
Dörte Lyssewski ist eine große Schauspielerin, und das merkt man ihrem Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen an. Die handwerkliche Ebene dieser Aufführung nimmt für sich ein. Da haben sich wohl alle im Ensemble etwas abschauen können. Lauter präzise durchgezeichnete Charaktere.
Ausgewählter Termin
Sa. 25.09.2021 19.00
Kammerspiele
Besetzung (am 25.09.2021)
Inszenierung
Dörte Lyssewski
Bühne und Kostüme
Eva Musil
Herr v. Biederling, wohnhaft in Naumburg
Axel Meinhardt
Frau v. Biederling
Tina Eberhardt
Wilhelmine, Tochter
Patrizia Unger
Der Prinz Tandi
Skye MacDonald
Der Graf Camäleon
Marco Dott
Donna Diana, eine spanische Gräfin
Judith Mahler
Babet, ihre Amme
KS Britta Bayer
Herr v. Zopf, ein Edelmann aus Tirol
Christoph Wieschke
Herr Zierau, Baccalaureus
Aaron Röll
Der Bürgermeister, sein Vater
Christoph Wieschke
Magister Beza Martin Trippensee
Audioeinführung
von Friederike Bernau