Mysterien: Ein Salzburger großes Welttheater
Mysterien: Ein Salzburger großes Welttheater
© Anna-Maria Löffelberger

Mysterien: Ein Salzburger großes Welttheater

Theatermarathon

Inhalt

Aufgrund der Covid-19-Pandemie und der damit einhergehenden vorübergehenden Schließung des Salzburger Landestheaters konnte die Produktion nicht stattfinden.

Wo liegt der Ursprung der menschlichen Existenz? Welche Fragen müssen wir in der Gegenwart stellen? Welche Antworten für die Zukunft finden?

In vier verschiedenen Entwürfen und in Anlehnung an das „Salzburger große Welt­theater“ von Hugo von Hofmannsthal setzen sich alle Sparten des Salzburger Landestheaters – Oper, Schauspiel, Tanz – mit dem Mysterium der Schöpfung auseinander: Charles Darwin, dessen Welt und Forschung in der Textfläche „Galapagos“ lebendig wird, sowie seine Skrupel, mit der Evolutionslehre von der Bibel abweichen zu müssen, werden von Haydns göttlich schönen Klängen der „Schöpfung“ abgelöst und mit dem Stück „Wer den Wind sät“ und dem darin erbittert geführten Streit zwischen Evolutionslehre und Kreationismus konterkariert. Mit „Homo = Deus“, das den Sinn der Schöpfung und ihre Endlichkeit in den Fokus rückt, klingt der Abend im Salzburger Landestheater aus.

Eine großzügige Pause mit erweitertem kulinarischem Angebot trägt zum Genuss des Abends bei.

Nach dem Vorbild des „Salzburger großen Welttheaters“ von Hugo von Hofmannsthal (1874–1929), das 1922 in der Salzburger Kollegienkirche in der Regie von Max Reinhardt zur Uraufführung kam, lebt die Tradition der mittelalterlichen Mysterien­spiele unter neuen Vorzeichen im Salzburger Landestheater auf.

Intendant Carl Philip von Maldeghem inszeniert den Theatermarathon in Zusammen­arbeit mit Ballettdirektor Reginaldo Oliveira und Ausstatterin Stefanie Seitz, mit denen er im Herbst 2017 das Großprojekt „Dionysien – Theater. Spektakel. Rausch“ in der Felsenreitschule realisierte. Am Pult des Mozarteum­orchesters Salzburg steht Gabriel Venzago.

Galapagos

CHARLES DARWIN UND EMMA WEDGWOOD

Der junge Charles Darwin reiste an Bord des britischen Forschungsschiffs „Beagle“ um die Welt und entdeckte auf den Galapagosinseln, dass sich die Arten von Insel zu Insel unterscheiden. Sein Weltbild geriet ins Wanken und ausgehend von dieser Erfahrung entwickelte er seine Gedanken zur Evolution als Gegenentwurf zur göttlichen Schöpfung. Er wusste, auf welch gefährliches Terrain er sich mit seinen Thesen begab. In der Textfläche „Galapagos“ wird die Welt Charles Darwins lebendig, seine Aufzeichnungen fremder Länder und elender Seekrankheit, seine Selbstzweifel, seine Dialoge mit befreundeten Wissenschaftlern und seiner Verlobten Emma Wedgwood, die nicht bereit war, ihren Glauben an die Schöpfung aufzugeben. Dieser einzelne Mensch, der den Mut entwickelte, ein gesellschaftliches Dogma vom Thron zu stoßen, der biologische Fakten und rationale Einsicht gegen den Glauben und seine überlieferten Worte antreten ließ, wird im Wettstreit der Worte porträtiert.

Die Schöpfung

JOSEPH HAYDN

Sturm, Blitz und Donner, Regen und Schnee, schäumende Meereswellen, ein leiser Bach, der Anbruch des Tages und der Aufgang des Mondes in der Nacht – all das und viel mehr hat Haydns „Schöpfung“ zu bieten. In drei Teilen werden die Tage der Schöpfung und Adams und Evas Leben im Paradies in Musik gefasst. „So lang’s Theater steht, ist’s nicht so voll gewesen“ – so beschreibt ein Zeitgenosse die Uraufführung. Joseph Haydn gelang mit der Aufführung seines Oratoriums „Die Schöpfung“ eines der wichtigsten musikalischen Ereignisse des Jahres 1798. Die Solist*innen der Sparten Oper und Ballett, der Chor und das Mozarteumorchester stellen sich in den Dienst dieses epochalen musikalischen Werkes und er arbeiten ein imaginativ und bildstark choreographiertes Panorama der biblischen Schöpfung.

WER DEN WIND SÄT

Jerome Lawrence / Robert E. Lee

In Dayton, Tennessee, trug sich 1925 der „Monkey Prozess“ zu, in dem christliche Fundamentalisten einen Schullehrer anklagten, weil er Charles Darwins Evolutions­lehre im Unterricht behandelte. Der Prozess erregte damals starkes Aufsehen. Jerome Lawrence und Robert E. Lee schufen dazu ein Theaterstück, in dessen Mittelpunkt der Gegensatz zwischen der Evolutionslehre und dem Kreationismus, dem wörtlichen Glauben an die Schöpfungsgeschichte, steht. Unter dem Titel „Inherit the Wind“ wurde das Stück 1960 mit Spencer Tracy verfilmt und vierfach für den Oscar nominiert. Damals schrieb Die Zeit: „Das Thema – Intoleranz und Fanatismus gegenüber dem demokratischen Recht auf Meinungsäußerung und freie Lehre – ist von höchster Aktualität.“ Die Autoren konnten nicht voraussehen, dass die Debatte auch im 21. Jahrhundert heftig geführt werden müsste. Am Salzburger Landestheater erfolgt 2020 die deutschsprachige Erstaufführung des Theaterstücks.

HOMO = DEUS

Format Partizipation

Douglas Adams’ Phantasie vom intergalaktischen Reisenden Arthur Dent – der den Sinn des Universums entschlüsseln will und nach den Irr- und Umwegen sowie unendlichen Strapazen seiner Reise feststellen muss, dass die Zahl 42 angeblich den Sinn des Lebens ausmacht – ist Ausgangspunkt der theatralen Erforschung über das Erlöschen des Schöpfungskreises, mit dem der Abend im Salzburger Landestheater ausklingt. Schwingt sich der Mensch dazu auf, Gott zu sein, um als „Homo deus“ die Freiheit zu erwerben, die alte Schöpfung auszulöschen und eine neue Welt zu kreieren? Dokumentarische Texte, die die menschlichen Spuren auf unserem Planeten und deren Zerstörungskraft beschreiben, entwickeln sich zu einem Szenengeflecht, das die Mysterien der Gegenwart und Zukunft als Herausforderungen der Weltgesellschaft spürbar macht.