Nach Europa / Über das Meer
Inhalt
»Nach Europa« - Nach dem Roman »Drei starke Frauen« von Marie Ndiaye
»Über das Meer« - Nach der Reportage »Mit Syrern über das Meer nach Europa« von Wolfgang Bauer
Wer sind die Menschen, die davon träumen hier zu leben? Wer sind sie, die wir mit Drohnen, Nachtsichtgeräten, Unterwasserkameras, Internierungslagern, Tränengas und Gummigeschossen davon abhalten wollen, die lebensgefährliche Reise zu uns anzutreten? Wer sind sie, deren Gesichter meist nur im Zusammenhang mit Katastrophenmeldungen in unser Blickfeld treten? Ist es uns überhaupt möglich, ihre Perspektive einzunehmen?
Am Salzburger Landestheater stellt Intendant Carl Philip von Maldeghem den bewegenden Text der 1967 in Frankreich geborenen Autorin Marie NDiaye (die für »Drei starke Frauen« mit dem Prix Goncourt, einem der wichtigsten Literaturpreise Frankreichs, ausgezeichnet wurde) und die Reportage von Wolfgang Bauer ins Zentrum einer theatralen Auseinandersetzung mit dem großen Thema der Migration und der Sehnsüchte des Völkerwanderns in und nach Europa.
Nach Europa
Eine senegalesische Frau wird von ihrer Familie nach Europa geschickt. Schlepper bringen sie an die Küste, doch das Boot ist nicht seetüchtig. Am Strand lernt sie einen jungen Mann kennen, der ihr zu einem falschen Pass verhilft. Gemeinsam treten sie eine Odyssee über den afrikanischen Kontinent an. Nach Europa.
Über das Meer
Der Journalist Wolfgang Bauer begleitete eine Gruppe syrischer Männer bei dem Versuch von Ägypten aus über das Meer nach Europa zu gelangen. Diese hatten etwas genauere Vorstellungen von ihrem Ziel und, Angehörige der Mittelschicht, auch die nötigen Geldmittel zur Verfügung. Trotzdem wird die »Reise« zum Albtraum ihres Lebens: sie sind plötzlich vogelfrei und werden abhängig von Menschenhändlern, die von Syrien bis Dänemark am Traum verzweifelter Menschen prächtig verdienen. Sie werden schon in Ägypten voneinander getrennt und müssen sich alleine durchschlagen. Nur der Journalist bekommt eine Abschiebung erster Klasse: mit einem europäischen Pass in Händen fliegt er über das Meer, das die anderen Mitglieder seiner Gruppe auf maroden Schiffen zu überqueren versuchen.
Die Stücke können auf Nachfrage einzeln gebucht werden.
Dauer »Nach Europa«: ca. 45 min
Dauer »Über das Meer«: ca. 60 min
Dauer: ca. 2 h / eine Pause
Besetzung
Inszenierung
Carl Philip von Maldeghem
Dramaturgie
Maren Zimmermann
Mit
Elisa Afie Agbaglah
Julienne Pfeil
Clemens Ansorg
Tim Oberließen
Christoph Wieschke
Pressestimmen
»Verbindende Elemente dieser beiden knapp und konzis erzählten Emigrationsgeschichten: Es wird nicht auf die Tränendrüsen gedrückt. Der Regisseur und seine sprachlich äußerst konzentrierten, Emotionen in Zaum haltenden Schauspieler (man sollte einzelne nicht hervorheben, es geht um ein starkes Sprech-Ensemble) konfrontieren mit Menschen, die momenthaft greifbar werden und dann doch gleich wieder fürs Allgemeinschicksal stehen. Ganz stark verbindet die beiden Theater-Einakter das Bühnenbild von Thomas Pekny: ein Wald von Metallstangen, von der Decke hängend, fahrbare Transparent- dazwischen und Spiegelwände rundum. Man denkt unwillkürlich an Spiegelkabinette auf Jahrmärkten. Die Leute hier zahlen auch, aber sie liefern sich den Irrwegen nicht freiwillig aus. Wenn die Stangen pendeln, schwingt das Bedrohliche im Wortsinn mit.«
»Es ist kein Theaterabend im herkömmlichen Sinn. Die Geschichten, die hier erzählt werden, bleiben dennoch tief im Gedächtnis. […] So stark der Kontrast zwischen der symbolreichen Kunstsprache NDiayes und Bauers bewusst sachlichem Reportageton ist, so stimmig fügen sich die Geschichten zu einem vielschichtigen Flüchtlingspanorama. […] Der »Doppler-Effekt« findet seine Entsprechung in Thomas Peknys Bühnenbild: Spiegel und ein Stangenwald, Symbol für die Hindernisse auf dem Weg ins Paradies. Große Wirkung entfalten die Momente der Sprachlosigkeit, deren Stille die aufeinanderprallenden Stangen durchbrechen und Klänge wie von Geisterhand erzeugen.«
»Europa ist vieles. Am Salzburger Landestheater vor allem eine Verheißung für unzählige Flüchtlinge, die körperliche und seelische Strapazen auf sich nehmen, um dem Prinzip Hoffnung zu folgen und zu flüchten. Intendant Carl Philip von Maldeghem setzt ein Zeichen und inszeniert zwei berührende Texte.«
»Der humanitäre Aspekt steht im Mittelpunkt. […] Zusammengehalten werden die beiden Teile des Abends durch das gemeinsame Bühnenbild von Thomas Pekny, das eine Entsprechung sucht für Orientierungslosigkeit und Monotonie.«