›The Sound of Music’. Das Musical im Salzburger Landestheater, vorbildlich entkitscht.
»Der Erfolg war schlichtweg enorm: eine Familienstory voll großer Gefühle, Melodramatik, romantische Stimmung, rührseligem Humor, sogar eine genau dosierte Prise bittere Zeitgeschichte, dazu eine herzallerliebste Kinderschar, nicht nur wie Orgelpfeifen entzückend aufgereiht, sondern springlebendig und beeindruckend firm im Singen, und zuletzt noch gemeinsames ›Edelweiß’ samt echter Tränen der Rührung – was braucht es mehr?
Was die Salzburger Aufführung zeigt, sind die kunstvollen Qualitäten einer dramaturgisch perfekt gebauten Geschichte und einer anspruchsvollen Musik. Sie ist der klassischen Operette nicht fern und dennoch genuines amerikanisches Unterhaltungstheater großen Stils. Orchestral machen darauf die bestens eingestimmten Musikerinnen und Musiker des Mozarteumorchesters aufmerksam. Peter Ewaldt gelingt es mit seiner engagierten und kundig-erfahrenen musikalischen Leitung, auch in vielen Details auf die feinen Aromen der Partitur hinzuweisen. Auf das reibungslos funktionierende Arrangement der Gattung verstehen sich die Regisseure Andreas Gergen und Christian Struppeck vortrefflich. Und so erlebt man drei Stunden lang eine Revue der fein durchgeformten Einfälle und abwechslungsreichen Szenerien.
Spritzige Ensembles gelingen genauso wie emotionsgeladene Soloauftritte, ironische Schlenker genauso wie große und kleine gefühlvolle Liebesszenen. Beweglich belebt wird die Geschichte durch die Choreographie von Kim Duddy. Und Ausstatter Court Watson gelingt es in seinen Dekorationen, konform mit der Regie, kitschige Ansichten zu vermeiden und dennoch Schauplätze mit authentischer Atmosphäre herzustellen.
Herz und Zentrum der Aufführung aber sind die Kinder, das einstmals in Amerika zur Blüte gereifte Kapital der singenden Trapp-Familie. Vom unbekümmerten Dreikäsehoch bis zum verliebten Teenager Liesl (Hanna Kastner) reihen sie sich, jedes eine erfrischende Gestalt und zusammen ziemlich unschlagbar, auf.
Jedenfalls staunt man nicht schlecht über die natürliche Bühnenpräsenz und die sängerischen Qualitäten, die weitaus mehr als nur das berühmte ›Do-Re-Mi’-Lied fordern. Wietske van Tongeren schien sich mehr und mehr auch durch den Elan dieser Kinder mitreißen zu lassen zu einer anrührenden Darstellung der Maria, die den knurrigen Befehlston des Kapitäns Georg von Trapp mühelos knackt und glaubwürdig in alle Lebensrollen schlüpft. Sie ist das zweite Zentrum der Aufführung.
An den Rändern tut sich durchwegs Beachtliches: bei der opernhaften Mutter Oberin (Frances Pappas) wie ihren Mitschwestern, bei Franziska Becker als reicher, glamouröser Sängerin Elsa Schrader und Hubert Wild, dem Impresario Max Dettweiler, der in der Musicalhandlung die Trapp-Familie zu den Festspielen bringt und ihnen zur Flucht verhilft, bei Sebastian Smulders als jungem Liebhaber, der am Ende den Verführungen der Nazis mehr erliegt als jenen seiner adeligen Geliebten.
Erfreuliches Fazit: Salzburg hat jetzt die Gelegenheit, das Musical ›The Sound of Music’, noch dazu in einer pfiffig frischen Neuübersetzung, als originäres Kunstwerk in einer bestens einstudierten, hochwertigen Aufführung kennenzulernen. Als Kunstwerk ist es, losgelöst von touristischen Marketingstrategien und dennoch eingebettet in die besondere Aura der Geschichte, ein exzellentes Stück.«