Zorn / ÖEA
Joanna Murray-Smith
Inhalt
Als sie erfahren, dass ihr halbwüchsiger Sohn Joe eine nahe Moschee mit islamfeindlichen Graffiti beschmiert hat, fallen Alice und Patrick aus allen Wolken. Die erfolgreiche Neurowissenschaftlerin und ihr Mann, ein Romanautor, haben Joe doch im Sinne von Toleranz und Gewaltfreiheit erzogen – was treibt ausgerechnet ihn zu einem Hassverbrechen? Zunächst versuchen die Eltern reflexartig, die Hauptschuld auf Joes Komplizen abzuwälzen, der aus einfachen Verhältnissen stammt. Doch dann konfrontiert eine junge Journalistin sie mit einem dunklen Geheimnis aus Alices Jugend und alle müssen schmerzhaft erkennen, dass die Saat aus Hass und Gewalt schon länger im Verborgenen keimt.
Mit geradezu alttestamentarischer Wucht schlägt ungesühnte Schuld in diesem Familiendrama eine scheinbar heile Welt in tausend Stücke. Geschickt und unerwartet verschiebt sich der Fokus von einem dummen Akt der Intoleranz auf einen Terroranschlag und stellt so die grundsätzliche Frage nach der Rechtfertigung von Gewalttaten, die von moralischer Empörung motiviert sind.
Joanna Murray-Smith wurde 1962 in Australien geboren, studierte an der University of Melbourne und ist heute eine der bedeutendsten australischen Dramatikerinnen, die auch international große Anerkennung findet. Ihr bislang erfolgreichstes Stück »Honour« (»In allen Ehren«) wurde beim New York Stage and Film Festival von Meryl Streep, Sam Waterston und Kyra Sedgwick gelesen; die Broadway-Inszenierung von 1998 erhielt Nominierungen für zwei Tony Awards und wurde in mehr als 20 Staaten aufgeführt. Ihr neuestes Stück »Fury« (Zorn) wurde 2013 wegen seiner politischen Aktualität vielbeachtet und mit sehr großem Erfolg von der Sydney Theatre Company uraufgeführt. Am Salzburger Landestheater inszeniert Marco Dott die österreichische Erstaufführung.
Dauer: ca. 2 h / eine Pause
Besetzung
Inszenierung
Marco Dott
Ausstattung
Eva Musil
Dramaturgie
Svenja Gottsmann
Alice Harper
Gabriele Fischer
Patrick Harper
Christoph Wieschke
Joe Harper
Tim Oberließen
Lehrer Warren
Gregor Weisgerber
Annie
KS Britta Bayer
Bob
Axel Meinhardt
Rebecca Sofie Gross
Pressestimmen
»In den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters hat Marco Dott das 2013 uraufgeführte und auch in deutschen Landen nachgespielte Stück zur österreichischen Erstaufführung gebracht. In Eva Musils komischem Raum inszeniert er sauberen, absolut keimfreien Edelboulevard, der nie die schicklichen Grenzen eines gefälligen Konversationsstücks überschreitet.«
»Während die Kernfamilie (Gabriele Fischer, Christoph Wieschke und Tim Oberließen Anm.) langsam und tragisch zerbröselt, sorgen die Nebenfiguren für auflockernde heitere Momente. So legt etwa Gregor Weisgerber den Lehrer als ebenso zynische wie überforderte Karikatur an, die sich mehr ums Image der Schule sorgt, als um das Seelenheil seiner Schützlinge. Auch das Elternpaar von Joes Mittätter (Britta Bayer und Axel Meinhardt) hat die Lacher auf seiner Seite, posaunt es doch seine nicht ganz so liberalen Ansichten den Harpers mit herzhaft guter Laune ins Gesicht. Und schließlich ist da noch Sofie Gross als engagierte Journalistik-Studentin, die es schafft, dass sich ihre Gesprächspartner mit großer Freude selbst entlarven. […] Regisseur Marco Dott hat das Stück von Joanna Murray-Smith ganz nahe an der Karikatur inszeniert, auch wenn er das zentrale Psycho- und Familien-Drama durchaus ernst nimmt. Allerdings weiß er nur zu gut, dass es durchaus Spaß machen kann, einer selbstgerechten Bilderfamilie bei ihrer Demontage zuzusehen. […] Ein spannender Abend, der einen etwas anderen Blick auf vermeintliche Tugenden wie Toleranz und Rebellion wirft, und dabei über zwei Stunden gut und abwechslungsreich unterhält.«
»Gabriele Fischer überzeugt als eloquente, temperamentvolle Wissenschaftlerin, die gesteht, dass Zorn für sie die Leidenschaft sei, die ihr zum Erfolg verholfen habe. Dieser souveränen Karrierefrau fühlt sich ihr Gatte (sympathisch Christoph Wieschke) nicht gewachsen, er steht lieber zu seinen Schwächen. Tim Oberließen als zorniger, junger Mann hat genug davon, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, seine Wut richtet sich vor allem gegen seine dominante Mutter. Stark Sofie Gross als ehrgeizige Journalistin. Für amüsante Szenen sorgen die Auftritte von Gregor Weisgerber als Paradebeispiel eines überheblichen Klassenlehrers. […] Britta Bayer und Axel Meinhardt verkörpern als Eltern von Joes Freund Trevor eine Durchschnittsfamilie, für die die Harpers nur Mitleid empfinden. Köstlich die Aussprache, bei der alle aneinander vorbeireden, da völlig unterschiedliche Weltanschauungen aufeinanderprallen. Marco Dott hat das realistische Gegenwartsstück temporeich in Szene gesetzt und lässt bei jedem Szenenwechsel ein schrilles Alarmsignal ertönen. Der sterile, weiß verflieste Raum strömt Kälte aus, die blauen Giftfässer, die nach und nach auf die Bühne gerollt werden, wirken bedrohlich (Ausstattung: Eva Musil). Ein raffiniertes Stück über Toleranz, Lebenslügen und die Rechtfertigung von Gewalttaten.«