Arianna
Benedetto Marcello
Synopsis
Benedetto Marcellos Oper »Arianna" kursierte seit ihrer privaten Uraufführung für einen römischen Kardinal als Geheimtipp unter Musikern. Hier ist ein Juwel zu entdecken! Die Handlung der Oper ist wohlbekannt und doch neu. Ariadne klagt auf Naxos ihr Leid. Theseus ist mit ihrer Schwester Phädra durchgebrannt und hat sie sitzen gelassen. Dass der Gott Bacchus sie begehrt, kann sie nicht trösten. Da lässt dieser das Schiff des Theseus durch einen Sturm zurücktreiben. Nun sind die beiden Flüchtlinge dazu gezwungen, sich mit Ariadne auseinanderzusetzen - und in dieser Gruppentherapie bewältigt sie die Erfahrung der Trennung und gewinnt die Freiheit zu einer neuen Liebe.
Der venezianische Patriziersohn Benedetto Marcello wurde berühmt mit seiner Satire »Il teatro alla moda", in der er sich über die Unsitten der Oper lustig machte. Doch er gehörte zu den Kritikern, die es auch besser machen konnten:Obwohl er in erster Linie seiner Vaterstadt als Ratsherr und Diplomat diente, verschaffte er sich mit seinen Kompositionen Respekt in Europa. Auch Bach und Telemann gehörten zu seinen Bewunderern. Mit Michael Form konnte für die Leitung der Barockoper einer der interessantesten Spezialisten gewonnen werden. Seinen Namen machte er sich zunächst als Blockflöten-Virtuose und als Leiter des Spezialensembles »Les Flamboyants" für die Musik des Mittelalters, bevor er sich auch dem Dirigieren zuwandte und besonders beim Barockfest im Schwetzinger Rokokotheater Triumphe feierte.
Cast
Musikalische Leitung
Matthew Halls
Inszenierung
Jim Lucassen
Ausstattung
Ben Baur
Dramaturgie
Heiko Voss
Arianna
Karolina Plicková
Fedra
Linda Sommerhage
Teseo
John Zuckerman
Bacco
Marcell Bakonyi
Sileno Hubert Wild
Reviews
»Ein Tenor darf in der Heldenrolle glänzen, und John Zuckermann tut dies als Theseus mit schlanken Höhen ebenso wie mitKörperbeherrschung – eine heikle Gesangslinie stemmt er gar beim Radschlagen kopfüber mit bester Haltungsnote. Und Silen, durstiger Begleiter des Bacchus, darf reihenweise die Schampusflaschen und Crèmetorten diverser verhinderter Hochzeitsfeiern verputzen, was Hubert Wild mitten im Liebeswirrwarr mit genialer Komik in Angriff nimmt: sauber gesungener Alkoholismus zum Tränenlachen.«
Große Entdeckung: Benedetto Marcellos Oper »Arianna«
»Der Zweiakter »Arianna« ist mithin eine echte Ausgrabung, für deren Reanimation abseits des Festspieltrubels dem Salzburger Landestheater Respekt gebührt. Denn hier gibt es tatsächlich etwas zu entdecken: Das Libretto von Vincenzo Cassani gewinnt dem Ariadne-Mythos überraschende Facetten ab, und die Musik zeigt die Handschrift eines Individualisten, ja Exzentrikers, der mit kühnen Kapriolen zu verblüffen und mit raffiniertem Klangzauber zu betören wusste.
Eine Spezialgruppe des stilistisch gut trainierten Mozarteum-Orchester (…) ließ unter der inspirierten Leitung von Matthew Halls die Funken sprühen.«
Diese Musik hat eigene Schlagkraft
»Vielleicht mag es auch dieser gleichsam unakademische Habitus sein, der Macellos Musik mit ihren unvermittelten harmonischen Rückungen, klanglich raffinierten Schrägständen, exzentrischen Tonmalereien, aber auch einem Sinn für quasi romantisches Gefühl und zauberhafte instrumentale Farbwirkungen oft kantig, kühn und außergewöhnlich erscheinen lässt. Venezianische Spiellust lässt sich dabei auch nicht verhehlen.
Nachzuprüfen ist das seit Sonntag im Salzburger Landestheater. Dort ist als staunenswert lebensfrische und gegenwärtige Rarität Marcellos Oper »Arianna« zu erleben, die musikalisch und szenisch ein durchschlagender Erfolg wurde
Insbesondere die reflektierenden Arien der beiden Protagonistinnen, Fedra (Linda Sommerhage) und Arianna (Karolina Plickova), wurden auch im Orchester und dessen Solisten zu Kabinettstücken differenzierten Ausdrucks.
Das von Regisseur Jim Lucassen verantwortete Bühnengeschehen nimmt den barocken Verwicklungen jede Gefahr von Steifheit. Der größte Vorzug der Inszenierung ist ihre subtile Musikalität. Sie lässt Raum für wunderbare intime Momente, aber auch für Ironie und unverhohlen burleske Komik. Hier zeichnet sich vor allem der individuell geformte und geführte, differenziert singende Chor mit eigenen Solisten aus. Seine punktgenaue und zugleich disziplinierte Spielfreude macht ein Gutteil der Wirkung dieses Abends aus.
Der unaufgeregt scharf gestellte Fokus der Regie holt vor allem aber die Trägerin der Titelrolle ins gebührende Licht: Karolina Plickova gelingt es, eine durch und durch glaubwürdige Figur zu schaffen. Ihr natürliches Spiel verbindet sich mit den stimmlichen Mitteln eines fein durchgebildeten lyrischen Soprans. Drei Stunden das Feinste, das die erste Saison der neuen Intendanz zu bieten hat. Man sollte sich um Karten bemühen, Aufführungen gibt es nur bis Ende April!«
Mythos im modernen Outfit
»Barockoper war in Salzburg so gut wie gar nicht vorhanden. Der neue Landestheater-Opernchef Bernd Feuchtner hat sich zum Ziel genommen, diesen weißen Fleck auf Salzburgs Kulturlandkarte. Der Sprung ins kalte Wasser lohnt sich jedoch, wie die durchwegs gelungene erste Barock-Premiere am Sonntagabend unter Beweis stellte.
Karolina Plicková zeigt hier, was sie schon den ganzen Abend – und zuvor in »Figaro« und »Freischütz« – offenbart hat: einen leuchtenden, in den Koloraturen äußerst filigranen Sopran, der mitunter zu bebender Dramatik anheben kann. Plicková ist eine Singschauspielerin, die ihre Figuren lebt – und mit reichlich Humor versieht.
Das nützt freilich Regisseur Jim Lucassen, der dem barocken Dreistünder einiges an langatmigkeit nimmt, indem er die barocken Stereotype mit gezielter Personenführung ausstattet. Lucassen hat dem Mythos ein stylisches outfit verpasst, das Publikum bejubelte sowohl Regie-Team wie auch Sänger.
Die barockaffinste Stimme in dieser Produktion jedoch besitzt John Zuckermann. Den Theseus formt er mit elastischem Tenor, in allen Lagen mühelos und mit feiner Linienführung. Ein Genuss.«
Vergnügliches Liebes-Lamento
»Das Ensemble überrascht mit einer ästhetisch, szenisch und musikalisch gelungenen Barockoper von Benedetto Marcello. Aber wenn barockes Musiktheater so umgesetzt ist wie "Arianna" im SalzburgeLandestheater, dann kann selbst eine jener ausgegrabenen Archiv-Leichen zu einem kurzweiligen Opern-Vergnügen werden.
In modernem Design, in klarer, nüchterner Ästhetik und vor allem mit kluger und augenzwinkernd witziger Personenregie verwandelten Regisseur Jim Lucassen und Ausstatter Ben Baur die barocke Statik in lebendiges Musiktheater. Keine einzige der eigentlich lähmend langen Arien wurde bloß gesungen. Die Sänger schlugen Räder, boxten Runde um Runde, umarmten leere Kleider oder feuerten Pistolen ab. Aber nicht als Gag. Lucassen und Baur schauten ihren Menschen und der Geschichte in die Karten. Das Schau-Spiel der Sänger trug die Handlung wie eine Art Parallelebene im barocken Stereotyp. Damit erst wurde diese "Arianna" zu einem auch im 21. Jahrhundert nachvollziehbaren Musiktheater. Einhelliger und mehr als berechtigter Jubel für das Regieteam.
Auch das Bühnenpersonal hielt mit. So zeigte das Mozarteum Orchester, dass es auch mit darm-bespannten Geigen gut klingen kann. Dirigent Matthew Halls hat klug gekürzt, gut geprobt, sauber dirigiert, zu spritzig-schlankem Klang animiert, sowie gute, organische Tempi vorgegeben.
Fazit: Das Ensemble des Salzburger Landestheaters hat einen Erfolg eingefahren, der mit einem derartigen Stück Musiktheater beileibe nicht vorhersehbar sein konnte. Prognose: Das Publikum wird die folgenden fünf Vorstellungen mögen.«
»Benedetto Marcello dreht stark an der Ausdrucks-Schraube. Das öffnet dem Mozarteumorchester, das vom Barockspezialisten Matthew Halls innig vertraut gemacht worden ist mit der Rhetorik der Zeit, beste Möglichkeiten. Eine Episode ist besonders auffällig: eine Art Bekenntnis-Arie der Ariadne, ein kunstvoller, "gebrochener" Trio-Satz von Sopran und zwei Flöten. Das ist erstens für sich stehend ein tolles Stück. Und zweitens markiert es in der Dramaturgie einen Moment der allgemeinen Ratlosigkeit und Desillusionierung.
Karolìna Plicková ist eine Arianna, der man die Daumen drückt für ihr künftiges Liebesleben - nicht nur, weil sie Leiden, Enttäuschung, Rachegelüste und zwischen Trotz und Aufrichtigkeit pendelnde Liebe so natürlich und unprätentiös zu vermitteln weiß. Die technisch bestens geschulte Sängerin lässt sich nicht ein einziges Mal zu überdreht wirkendem Affekt verleiten, da mag es im Orchester noch so hitzig hergehen.
Marcell Bakonyi ist ein schlank artikulierender Bacchus mit gut fokussierter Stimme auch in exponierter Bewegung. In Hubert Wild hat er einen buffonesken Diener (Sileno), der witzig mit unterschiedlichen Stimmregistern spielt. John Zuckerman ist Theseus. Er schafft ansehnlich lange Koloraturbögen und ist wie all seine Kolleginnen und Kollegen stilistisch auf eine Linie eingeschworen.
Jim Lucassen arbeitet mit Mitteln der Pantomime, manchmal lässt er Szenen in Zeitlupe ablaufen. Ein Boxkampf zwischen Ariadne und Theseus (mit Bacchus als Coach für die Dame), mit knallroten Boxhandschuhen - solche originelle "Traumszenen" machen gehörig Effekt und entsprechen der gelegentlich bizarren Musiksprache des Benedetto Marcello. Aber zugleich richtet Jim Lucassen die Aufmerksamkeit auf kleine Gesten, und psychologische Vorgänge wirken immer sehr genau in Mimik und Bewegung umgesetzt.«
Die Oper »Arianna«: Eine Sensation
»Zum Weinen schön (..), wenn Arianna versucht, Theseus wiederzugewinnen und doch nur ihren schmerzlichen Verzicht verkündet und versteht.
Das Mozarteum Orchester ist unter Adrian Kelly ein barockes Prachtwunder voller musikantischer Amouren, der Chor der Landestheaters eine schiere Freude, das Ensemble (…) so, wie man sich das nur immer wünschen und hoffen kann.
Die Inszenierung von Jim Lucassen, das Bühnenbild von Ben Baur? Großartig. Die Schiffs-Szene, die Schatten-Bilder, genial! Eine Kasten-Dreh-Wand mit Flügeltüren, ein paar Stühle. Braucht es mehr? Nein!«