Das Notlicht. Ein Skandal.
Zwei Minuten Finsternis. Absolute Finsternis. An dieser Forderung von Thomas Bernhard und Claus Peymann entzündete sich Anfang der Siebziger ein Theaterskandal unvergleichlicher Art, wohl einer der größten, den Bernhard in seinem Leben provoziert hat: der bis heute weitreichend bekannte „Notlicht-Skandal“.
Ausgangspunkt ist die Uraufführung von Bernhards Stück „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ am 29. Juli 1972 im Salzburger Landestheater, die im Rahmen der Salzburger Festspiele stattfand. Claus Peymann inszeniert – und sorgt bereits während der Probenzeit für die eine oder andere Provokation. Um der von Bernhard festgeschriebenen totalen Dunkelheit am Ende des Stückes nachzukommen, verlangt Regisseur Peymann nun auch noch, die Notbeleuchtung für zwei Minuten zu löschen. Eine dramaturgisch wichtige Maßnahme, denn in dieser Finsternis sollen Geschirr und Flaschen auf der Bühne lautstark zertrümmert werden – ein nur hör-, aber nicht sichtbarer Akt der Zerstörung. Bei angeschaltetem Notlicht verliert sich der Effekt in schummrigem Halbdunkel.
Naturgemäß legt die Feuerpolizei Veto ein – das Notlicht muss brennen, eine Verordnung aus dem Jahr 1884 lässt keinen Spielraum. Die Wogen im künstlerischen Team gehen hoch, legen sich allerdings wieder, als bei der öffentlichen Generalprobe die Notbeleuchtung tatsächlich gelöscht wird und die Szene in kompletter Finsternis die gewünschte Wirkung erzielt. Am darauffolgenden Tag ist Premiere. Die letzte Szene – das Notlicht brennt. Peymann explodiert. Da vor Beginn der zweiten Vorstellung von Seiten der Festspieldirektion keine Anstalten gemacht wurden, auf die Forderungen des Autors und des Regisseurs doch noch einzugehen, weigert sich das Ensemble, allen voran Bruno Ganz, aufzutreten. Die Vorstellung wird abgesagt, das Publikum, das sich bereits im Kassafoyer eingefunden hat, muss wieder nach Hause gehen. Thomas Bernhard telegrafiert in der Folge mehrere Male an Festspielpräsident Josef Kaut und lässt ihn in einem dieser Telegramme wissen: „Eine Gesellschaft, die zwei Minuten Finsternis nicht verträgt, kommt ohne mein Schauspiel aus.“ Die Premiere blieb die einzige öffentliche Aufführung des Werkes, alle weiteren Termine wurden abgesagt. Die Angelegenheit kommt schließlich vor das Bühnengericht in Wien, wird dort aber im Juni 1973 eingestellt.
Auch heute lässt die Behörde kein Abschalten des Notlichtes während einer Vorstellung zu. Umgehen ließe sich die Verordnung, indem das Notlicht nicht abgeschaltet, sondern verhüllt wird. Allerdings darf die Verhüllung, etwa durch dunklen Stoff, nicht fest montiert sein, vielmehr müsste bei jeder Tür eine Person postiert werden, die die Lämpchen mit einem Gegenstand abdeckt, was zumindest zu Bernhards Zeiten keine akzeptable Option darstellte.