Immer weniger getrennt – zunehmend vereint

Was für ein herrliches Gefühl : Ich sitze – endlich, endlich wieder – in meinem Büro im Landestheater, schalte den professionellen Computer an, durchs geöffnete Fenster weht nicht nur Frühlingsluft, nein, ich höre auch das leise Stimmengewirr der Kollegen der Bühnentechnik, die im Freien vor der Laderampe ihre Pause genießen – natürlich mit einigen Babyelefanten als „Abstandhaltern“ und einer Auswahl stylischer Gesichtsmasken.

Lange haben wir nur elektronisch kommuniziert, haben uns in Chats getroffen, auf der Homepage, haben telefoniert. Wer sich nach so langer Zeit wieder tatsächlich begegnet, verspürt eine riesige Freude, es gibt so viel zu erzählen. Überhaupt scheint so eine Art kollektiver Redestau sich Luft verschaffen zu müssen…

Jeden Tag kommen ein paar Menschen mehr zurück ins Theater und die Konzerte in den Seniorenheimen beglücken Publikum wie Macher*innen – endlich wieder so etwas Ähnliches wie eine Vorstellung!

Ich bin froh, dass die Arbeit im Homeoffice mit Handy und privatem Tablet immer weniger wird, auch wenn wir Sitzungen noch als Videokonferenz abhalten und diesen virtuellen Zustand noch eine ganze Zeit werden aushalten müssen. An den Bürotüren ist ausgewiesen, wie viele Menschen sich gleichzeitig in diesem Raum aufhalten dürfen, Plexiglaswände trennen gegenüberliegende Schreibtische, einige Garderoben werden zu Ausweichbüros umfunktioniert. Die Werkstätten in Aigen sind wieder besetzt, in der Schneiderei arbeitet ein kleines Team im Landestheater, genäht wird aber weiterhin von den Schneiderinnen zu Hause. Vorbereitet wird der Ballettabend „Tanto… Tango“ und die große Produktion „Der Schuh des Manitu“. Kostümbildnerin ist Conny Lüders, ihre Entwürfe stehen für opulente Kostüme – „viel Glitzer, viel Rosa, viel Fransen“, lacht Veronika Steiner, die die Schneiderinnen mit zugeschnittenen Stoffen versorgt. Zuhause knüpfen auch die Maskenbildnerinnen weiter an den Perücken der „Manitu“-Indianer.

Seit Montag, 18. Mai 2020, sind auch die Damen und Herren des Vertriebs in die Räume des Kartenbüros in der Theatergasse zurückgekehrt, das druckfrische Spielzeitheft zur neuen Saison lädt zum Stöbern mit purer Vorfreude ein.

Endlich gibt es wieder täglich den Probenplan für den kommenden Tag. Naturgemäß ist er nicht so umfangreich wie in Zeiten des vollen Proben- und Vorstellungsbetriebes, aber immerhin findet in kleinen Gruppen bereits wieder Ballett-Training statt, auf der Bühne stehen jetzt Bauproben für kommende Produktionen an und szenische Proben zu gleich drei geplanten Produktionen haben begonnen. Um den Park von Schloss Leopoldskron so schnell als möglich mit Shakespeare’schen Elfen zu bevölkern, beginnt Carl Philip von Maldeghem mit dem Freilichtformat „Shakespeare im Park“, das uns allen so ans Herz gewachsen ist – und das in diesem Jahr wieder ganz auf das Schauspiel setzt. Wir sehnen uns nach der gemeinsamen Theaterarbeit, das Spielen im Freien scheint derzeit eine besonders naheliegende Theaterform zu sein.

Für junges Publikum ist der Theaterkrimi „Happs und weg“ in Vorbereitung, Sophie Mefan arbeitet an einem musikalischen Soloabend mit dem Titel „All you need is…“.

Doch der Probenprozess ist nur der erste Teil der Theaterarbeit. Wir brennen wie alle Kulturschaffenden auf Entscheidungen der Regierung, wir hoffen auf die baldige Möglichkeit der direkten Begegnung der Theatermacher*innen mit dem Publikum. Mit Babyelefant oder ohne.

Im März habe ich geschrieben, dass gerade eigentlich niemand von uns das Theater verlassen mag, weil es unser künstlerisches Zuhause und in dieser Krise ein persönlicher Ankerpunkt ist. Und dass wir das noch nie Erlebte sehr gemeinsam erleben.

Genauso gemeinsam möchten wir jetzt zurück in unser Theater. „My home is my theatre“ – dieses Homeoffice gefällt mir.

Friederike Bernau am 20. Mai 2020